Post- und Long Covid Erkrankung: Ein Überblick (Entsprechend der Leitlinie 7.2021: S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID)

Bewertung: 5 / 5

Stern aktivStern aktivStern aktivStern aktivStern aktiv
 

Das neuartige Corona-Virus Typ 2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2, SARSCoV-2) ist für die Pandemie mit der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) verantwortlich. COVID-19 (ICD U07.1) ist heute als Multiorgan-Krankheit mit einem breiten Spektrum von Manifestationen anerkannt.

Ähnlich wie bei anderen Infektionskrankheiten, gibt es nach einer akuten SARS-CoV2-Infektion immer mehr Berichte über anhaltende Beschwerden (Abb.), die jenseits einer Zeitspanne von vier Wochen ab Infektion als Long-COVID oder post-akute Folgen von COVID-19  und bei Persistenz von mehr als zwölf Wochen als Post-COVID-Syndrom bezeichnet werden. Im ICD-10 findet sich der Zustand nach COVID-19 unter den Schlüsselnummern für besondere Zwecke als U.09.9 hinterlegt.

postcovid 19

 

Die Häufigkeit des Post-COVID-Syndroms variiert je nach untersuchter Patientenpopulation und ist über alle Patienten hinweg mit einer Häufigkeit von bis zu 15% anzunehmen und ist bei schweren stationären Verläufen häufiger, kann allerdings  auch bei Patienten mit initial milder SARS-CoV-2-Infektion auftreten. Dabei werden sehr häufig Fatigue, Luftnot und sowohl eingeschränkte körperliche wie auch geistige Leistungsfähigkeit beschrieben. Grundsätzlich kann Long/Post-COVID sowohl nach leichten, als auch nach schweren Verläufen auftreten. Die Diagnose eines Post-/Long-COVID-Syndrom kann weder durch eine einzelne Laboruntersuchung noch durch ein Panel an Laborwerten diagnostiziert bzw. objektiviert werden. Ebenso schließen normale Laborwerte ein Post-/Long-COVID-Syndrom nicht aus.

post-Covid-19 Symptome:

  • ME/CFS:
    • Fatigue (Erschöpfung, Kraftlosigkeit, Energiearmut)
    • Konzentrations-, Gedächtnisstörungen (,,Nebel im Kopf")
    • Gliederschmerzen, Muskelschmerzen (,,Schmerzen imgesamten Körper")
    • Verschlechterung nach emotionaler/ physischer Belastung
    • Schlafstörungen
  • Mangelhafte Erholung (bei 90 % von 640 Pat. bis 40 Tage nachErkrankung) ➔ postvira le Fatigue
  • Fieberphasen
  • Husten und Atmenbeschwerden
  • Magen-Darm-Probleme
  • Herzrasen nach geringer Belastung
  • Darmprobleme (Durchfälle)

Quelle: The Body Polit ic Covid-19 Support Group .https:l/www.weorebodvpolitic.com/covid19The Body Polit ic Covid-19 Support Group .https:l/www.weorebodvpolitic.com/covid19Islam MF et al, 2020; doi: 10.1080/21641846.2020.1778227

Nicht aufgeführt aber relativ häufig sind Geruch- und Geschmackstörungen und neurologische Störungen wie Nervenschädigungen.

Ursache des Post-Covid-Syndroms

Bislang fehlen für viele klinische Probleme noch pathophysiologische Erklärungen und auch Evidenzen aus klinischen Studien. Mehrere Erklärungsmechanismen für ein Post-COVID-Syndrom kommen unter anderem in Frage. Eine Persistenz des Virus bzw. von Virusbestandteilen über Wochen und Monate kann eine Rolle spielen, oder auch die Aktivierung vorliegender Infektionen wie EBV. Weitere mögliche Pathomechanismen sind andauernde postinfektiöse strukturelle Gewebeschäden, inklusive Endothelschaden und gestörter Mikrovaskularisierung (=Schädigungen Bereich der Blutgefäße), Hyperkoagulabilität und Thrombosen (=Gerinnungsstörungen), eine chronische Immundysregulation (Über- und Unterfunktionen des Immunsystems mit Autoimmunreaktionen, überschießende Entzündungsreaktionen, Immunschwächen), sekundäre Störungen verschiedene Regulationssysteme des Organismus, aber auch potentielle Nebenwirkungen der COVID-19-Therapie.Ursache des Post-Covid-Syndroms

Diagnose von Post-/Long-COVID liegt vor wenn:

 1) Symptome, die aus der akuten COVID-19-Phase oder deren Behandlung fortbestehen

2) Symptome, die zu einer neuen gesundheitlichen Einschränkung geführt haben

3) neue Symptome, die nach dem Ende der akuten Phase aufgetreten sind, aber als Folge der COVID-19 Erkrankung verstanden werden,

4) Verschlechterung einer vorbestehenden Grunderkrankung.

Prävention, therapeutische Intervention und Impfung

Therapeutische Interventionen beim Post-/Long-COVID richten sich ebenso wie die Akutbehandlung an den Symptomen, eine spezifische antivirale Therapie hat sich bisher nicht durchgesetzt.

Wünschenswert wären präventive Maßnahmen, die vor allem darauf abzielen, dass das Immunsystem eine adäquate Reaktion auf den Virus bewerkstelligt. Im Vordergrund stehen hier von Seiten der Schulmedizin die Impfungen, die unbestritten die Infektionsgefahr und die Schwere der Erkrankung herabsetzen, aber auch mit Nebenwirkungen verbunden sein kann. Wir führen Impfungen durch, machen aber die Patienten auf Möglichkeiten zur Verbesserung der Immunreaktionen aufmerksam, so dass sowohl derjenige der sich impft, als auch derjenige der eine Impfung nicht macht davon profitieren kann.

Oft sind bei Post-Covid-Patienten verschiedene Organuntersuchungen durchgeführt ohne dass ausreichend die Beschwerdesymptomatik erklärbare „objektivierbare“ Befunde erhoben werden können. In unserer Praxis finden wir mit unseren komplementärmedizinischen Untersuchungsmethoden meist Störungen des vegetativen Nervensystems, des Stoffwechsels und der Mitochondrienfunktion.  Auch liegen häufig Störungen des Darms und Immunsystems mit Reaktivierung persistierender Infektionen vor. Anhand dieser Befunde und der Beschwerdekonstellation stellen wir individuelle Therapiepläne auf.

Ziel der Therapie sollte eine Symptomlinderung, sowie die Vermeidung einer Chronifizierung sein. Dazu gehören die Förderung des Schlafs, Schmerztherapie, Kreislaufsupport, Maßnahmen zur Stressreduktion und Entspannung, Stärkung von persönlichen Ressourcen sowie die Unterstützung eines adäquaten Coping-Verhaltens (z.B. weder Überforderung noch Vermeidung von Aktivitäten). Je nach individueller Symptomatik (körperlich, kognitiv und/oder emotional) kommen unterschiedlich gewichtet zusätzlich eine kontrollierte Anleitung zu körperlicher Aktivität bzw. dosiertem körperlichem Training zum Einsatz, ein Training der kognitiven Leistungsfähigkeit, und/oder eine psychotherapeutische bzw. psychopharmakologische Behandlung. Eine ergotherapeutische Unterstützung kann überlegt werden. Körperliche Überbeanspruchung mit nachfolgender Symptomverschlechterung  sollte durch ein individuell angemessenes Energiemanagement (Pacing) vermieden werden. Eine Heilmittelversorgung kann sinnhaft sein. Sollte sich ambulante Maßnahmen als nicht ausreichend erweisen kann über eine (teil-)stationäre Rehabilitation mit dem individuell angezeigten indikationsspezifischen Behandlungsschwerpunkt nachgedacht werden.

Überblick der verschiedenen Beschwerden bei Post-Covid-19

Fatigue  

Unabhängig von der Schwere der akuten COVID-19 Infektion berichten Patienten sehr häufig von Fatigue. Fatigue ist eine subjektiv oft stark einschränkende, zu den vorausgegangenen Anstrengungen unverhältnismäßige, sich durch Schlaf oder Erholung nicht ausreichend bessernde subjektive Erschöpfung auf somatischer, kognitiver und/oder psychischer Ebene. Wenn bei Patienten im Alter unter 60 Jahren schwere Fatigue mit Belastungsintoleranz, kognitiven Störungen und Schmerzen auftreten und diese für mehr als 6 Monate bestehen, sollte das Vorliegen eines Chronischen Fatigue Syndroms (ME/CFS, G93.3) mit Hilfe der international akzeptierten Diagnosekriterien überprüft werden. Die Post-COVID-Fatigue findet sich verteilt über alle Altersgruppen mit einem beobachteten leichten Überwiegen weiblicher Patienten. Die Relevanz von Fatigue und Belastungsintoleranz für die Alltags- und Berufsbewältigung sind hoch.

(Ausführung zu ME/CFS siehe entsprechende Rubrik auf der Homepage)

Hauterscheinungen

Es zeigt sich ein buntes Bild von Hautläsionen (verschiedene „Hautausschläge“, Urtikaria=Quaddeln, Bläschen, Knötchen, offene Stellen, Verfärbungen, Rötungen) teilweise mit Hautjucken. Außerdem werden sogenannte COVID-Zehen, vor allem bei jüngeren und kaum symptomatischen Patienten, beschrieben, die als bläuliche, kissenartige Verdickungen über den kleinen Zehen- aber auch Fingergelenken imponieren, auch Haarverlust.

Riech- und Schmeckstörungen

bei COVID-19 wird als generell günstig angesehen: Ein Großteil der Patienten berichtet eine vollständige bzw. weitgehende Besserung binnen 1-2 Monaten. In ca. 5–20 % der Fälle bleiben relevante Einschränkungen zurück. Sofern eine COVID-19-assoziierte Riechstörung sich nicht binnen 4-12 Wochen wieder weitgehend zurückgebildet hat, sollte eine neurologische oder HNO-ärztliche Vorstellung erfolgen. Sofern eine Riechstörung länger anhält, kann eine Therapie mit konsequentem, strukturiertem „Riechtraining“ versucht werden u.a. in der Hoffnung, im Bereich der Riechschleimhaut die Regeneration olfaktorischer Rezeptorneurone anzuregen. Klassischerweise werden hier die Düfte Rose, Zitrone, Eukalyptus und Gewürznelke verwendet wobei an jedem der 4 Düfte morgens und abends jeweils 30 Sekunden gerochen werden sollte, über den Zeitraum von Wochen und Monaten, bis sich das Riechvermögen wieder normalisiert hat.

Herz-, Kreislaufstörungen

Kardiovaskuläre Komplikationen sind in den ersten 6 Monaten nach COVID-19 signifikant erhöht. Hierzu gehören insbesondere venöse Thrombosen, ischämische Schlaganfälle, Myokardinfarkte, Lungenembolien und auch das Auftreten einer Herzinsuffizienz (Post-acute COVID-19 syndrome). Die Inzidenz neu auftretender kardiovaskulärer Komplikationen in den ersten 6 Monaten nach COVID-19 ist direkt assoziiert mit dem Schweregrad der Akuterkrankung. Die häufig genannten kardiologischen Post-COVID-19-Symptome sind Dyspnoe, insbesondere unter Belastung eventuell Thoraxschmerzen, seltener Palpitationen und Tachykardien. Eine echokardiographisch messbare Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion findet sich in ca. 10 % der Patienten 4-6 Monate nach COVID-19.

Neurologische Aspekte

Die häufigsten neurologischen Beschwerden nach durchgemachter COVID-19-Infektion sind Fatigue, kognitive Defizite wie Denk-,  Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen, sowie anhaltende Geruchs- und Geschmacksstörungen. Auch autonome Dysregulationen und Nervenschädigungen werden beschrieben.

Schmerzen

 Neu aufgetretene, primär chronische Schmerzen sind ein häufiges Symptom im Rahmen von Post- /Long-COVID, welche in der Regel mit anderen Beschwerden in Kombination, vor allem Fatigue, auftritt: Verschiedene Kopfschmerzen; Muskel- und Gelenkschmerzen;  Nervenschmerzen.

Pneumologische Aspekte

Atemnot und unspezifische thorakale Beschwerden sind häufig aufgeführte Symptome 3 bis 6 Monate nach Erkrankung und bedürfen der Abklärung mittels Funktionstests in Ruhe (insbesondere Diffusionskapazität, Blutgasanalyse) und unter Belastung (6-Minuten-Gehtest, Ergospirometrie) sowie ggf. einer weiteren zum Beispiel kardialen Diagnostik. Husten findet sich post-akut häufig. Bei persistierendem Husten ist eine weiterführende lungenfachärztliche  Abklärung sinnvoll. Ein Therapieversuch mit einem inhalativen Corticosteroid und/oder Beta-2-Sympathikomimetikum durchgeführt werden, insbesondere, wenn Hinweise für eine bronchiale Hyperreagibilität bestehen.

Schlafmedizinische Störungen

 (Ein-, Durchschlaf-, Konzentrationsstörung): Bei schweren COVID19-Verläufen treten nicht erholsamer Schlaf mit Müdigkeit sowie Ängstlichkeit und depressive Beschwerden bei einem relevanten Anteil der Patienten auf und erfordern bei Persistenz eine schlafmedizinische Abklärung.

Psychische Aspekte

Psychische Symptome werden aktuell überwiegend als Folge der Infektion mit COVID-19 und der damit assoziierten Belastungen und persistierenden Einschränkungen diskutiert. Es ist hinreichend belegt, dass psychische und psychosomatische Vorerkrankungen ebenso Stress  Vulnerabilitäts-faktoren für das Auftreten von psychischen Post-COVID-Symptomen darstellen. Zur Depression tragen immunologische Mechanismen bei. Auch der Abfall von Serotonin spielt hier eine Rolle.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Diese sind essenziell für den Betrieb der Seite. Sie können selbst entscheiden, ob Sie diese Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen..